19.8.15

Macht als die Fähigkeit, aus Fehlern nicht lernen zu müssen, am Beispiel der Griechenlandkrise

Angela Merkel, deren Lernfähigkeit so groß ist, dass sie - zwar nicht als Umweltministerin, sondern erst als Kanzlerin - gelernt hat, dass die Nachteile der Atomenergie langfristig größer sind als ihre Vorteile versuchte gegenüber Griechenland, sich durchzusetzen, ohne selbst etwas zu lernen. Der Lernprozess sollte allein in Griechenland stattfinden.
Das ist schief gegangen. Zunächst, weil die griechischen Regierungen passiven Widerstand geleistet haben: Reformen haben sie versprochen, aber keine durchgeführt. Nur die Sparpolitik (über die der Druck, Reformen durchzuführen, entstehen sollte) haben sie - weitgehend - exekutiert und so die Wirtschaft und damit Bevölkerung immer tiefer in den Abgrund sinken lassen.

Die Regierung Tsipras ist dadurch ans Ruder gekommen und hat es nicht beim passiven Widerstand belassen, sondern sich offen widersetzt (und erst im letzten Augenblick nachgegeben).
Dadurch hat sie Angela Merkel (und damit der EU) die Chance gegeben, zu lernen. Erst der Widerstand machte Anpassung und damit den Lernprozess möglich.* (Zu ergänzen ist, dass der IWF, vertreten durch Christine Lagarde, dabei mitgewirkt hat.)

* Weil man in der EU glaubte,  nichts lernen zu müssen, wurden die griechischen Regierungsmitglieder von EU-Politikern und -Medien zu aufmüpfigen Jugendlichen stilisiert, denen die Erziehungsberechtigten erst einmal Manieren beibringen müssten. Im Sinne von "Steck erst einmal dein Hemd in die Hose und keine Widerrede, so lange du die Beine unter meinen Tisch streckst!"

Dazu etwas über das Verständnis von Macht:

Karl W. Deutsch hat Macht bezeichnet als die Fähigkeit, nicht lernen zu müssen, weil man Anpassung erzwingen kann. Damit hat er den Nachteil der Macht für den Mächtigen beschrieben.
(vgl. dazu Max Weber: "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eignen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen" (Wikiqote "Macht"). Weber sah da nur den Vorteil der Macht  für den Mächtigen.)
Joseph Nye*  sieht in Macht die Fähigkeit, den anderen so zu beeinflussen, dass er dasselbe will wie man selbst. Das Mittel dafür ist die strukturelle Macht, ein Begriff von Susan Strange. Danach besteht Macht darin, Strukturen so anpassen zu können, dass es dem eigenen Vorteil dient. (Diese Strukturanpassung  braucht man nicht mit überlegenerMacht durchzusetzen, man kann sie durch Angleichung der Ziele an gemeinsame Interessen erreichen.)
Vgl. auch E.O. Czempiel: Kluge Macht, 1999, S.91-96
Joseph Nye: Macht im 21. Jahrhundert, 2011

Das Problem für die EU ist, dass der Euroraum nicht die Struktur verpasst bekommen hat, die er brauchte, um den gemeinsamen Vorteilen zu dienen. Exportweltmeister und Ausgebeutete ergeben keine harmonische Wirtschaftsstruktur.

Dieser Artikel ist auf meinem Politblog Fonty entstanden. 

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