29.12.11

Von den Möglichkeiten des Internets

Diktaturen werden gestürzt, demokratische Netzwerke aufgebaut, jede künstlerische Idee - ob in der bildenden Kunst, in Musik oder Literatur - kann rasch erprobt und ihr Ergebnis sofort verbreitet werden. Unternehmer finden Kapitalgeber "in  Sekundenbruchteilen", so weit Frank Schmiechen in der WELT in dem Artikel "Die Digitalen kommen".
Zu den Gefahren des Internets meint er:
Aber stellen Sie sich vor, jemand hätte Thomas Alva Edison nach der Erfindung der Glühlampe mit erhobenem Zeigefinger gesagt: "Toll, Mr Edison. Sie haben uns das wundervolle Licht in die Dunkelheit gebracht. Aber man kann sich ja so leicht die Finger an der heißen Glühbirne verbrennen."

Ich bin da skeptischer, wie mein voriger Blogbetrag zeigt. Aber Schmiechen verweist zu Recht auf die positiven Möglichkeiten, ausführlich und ein bisschen blauäugig.
Edison konnte nichts über den Zusammenhang zwischen seiner Erfindung und dem Klimawandel wissen. Wir sollten heute als Gesellschaft die Möglichkeiten wie die Gefahren in den Blick nehmen und uns weder auf den Tunnelblick der Begeisterten noch auf den der Verächter einschränken lassen.

20.12.11

Von den Gefahren des Internets

Eine Rentnerin ohne Computer soll über 600 Euro Strafe zahlen, weil sie nicht verhindert habe, dass über ihre IP-Adresse ein Hooligan-Video zum Tausch angeboten wurde, berichtet Spiegel online.
Weiß die Richterin, was sie von der Rentnerin verlangt? Wie viel Promille der deutschen Bevölkerung wissen, wie sie wirksam ihre IP-Adresse gegen Missbrauch schützen können? Wie viel Promille der Rentnerinnen?

17.12.11

Alles Gute in der Pädagogik kommt vom Internet

Genauer gesagt: "The true driver for positive, pedagogic change is the internet." 
Das ist das Fazit von Donald Clarks Blogbeitrag "More pedagogic change in 10 years than last 1000 years – all driven by 10 technology innovations".
Ich halte dagegen: Das unermüdliche Lernen trotz hundertfachem Scheitern beherrschen nur Säugling und Kleinkind von selbst. Nach dieser Phase braucht es beim Normalmenschen: 
1. Ermutigung, 2. Anforderungen im richtigen Schwierigkeitsgrad. 
Erst wenn er darüber wieder erfolgreich Lernen gelernt hat, kann er autodidaktisch lernen und sich seine Lernkontakte selbst suchen.
Trotzdem halte ich Clarks 10 Charakteristika des Lernens im Internet für sehr hilfreich. 
Zur Erläuterung übersetze und interpretiere ich sie in meinem Sinne. Später möchte ich auch erläutern, welche mir besonders wichtig erscheinen:

1. zeitversetztes Lernen

2. Links, der Weg zur Binnendifferenzierung an ein und demselben Text

3. Leicht erreichbare Information

4. Wikipedia: kostenloser Zugang zu Wissen und Diskussion darüber auch außerhalb des Bereichs der Wissenschaft

5. Facebook und Freunde als Lern-Helferlein

6. Twitter und Blogs bringen eine Renaissance des Schriftlichen

7. Youtube – durch die Beschränkung auf kleine Lerneinheiten kann ohne großen Aufwand viel nütliches Lernmaterial entstehen

8. Spiele erlauben Simulation und damit Fortfall der Furcht vor dem Fehler

9. Software, die fehlerfreundlich ist und Anschauung vermittelt

10. Open source

Für mich sind die beiden wichtigsten Punkte:
1. zeitversetztes Lernen

11. (ein von mir hinzugefügter Punkt:) aus dem gesamten Sprachraum, dessen Sprachen man beherrscht, auswählbare Lernkameraden


Jetzt hat mir dankenswerterweise VolkMarl eine ausführlichere Vorstellung der einzelnen Punkte auf deutsch abgenommen. Mich freut auch, dass er optimistischer ist als ich und überdies auch einige interessante Links beigegeben hat. Dankeschön!

13.12.11

Interview mit dem Sozialhistoriker Jürgen Kocka über historische Krisen

"... das Lernen aus der Geschichte kann dysfunktional sein, hat jedenfalls seine Grenzen, denn bei aller Ähnlichkeit sich wiederholender kapitalistischer Krisen: In ihrem Kern geschehen sie unter immer neuen Bedingungen."
Viele Fragen, viele Antworten in dem Interview von Kocka mit dem Debattenmagazin Berliner Republik: Diese Krise ist ein Moment der Wahrheit. Eine Kurzinhaltsangabe des Interviews ist mir nicht möglich.
Bemerkenswert ist die Haltung zu den gegenwärtigen Problemlösungsversuchen, sie werden nicht als falsch oder richtig bezeichnet, sondern historisch eingeordnet und verglichen oder es wird ihre Vergleichbarkeit bestritten.

Kocka vertritt die Position, dass - historisch gesehen - aus großen Wirtschaftskrisen viel gelernt wurde, und belegt das am Beispiel der Weltwirtschaftskrise ab 1929 u.a. mit folgenden Hinweisen:

Zu nennen sind neue Rechte für die Gewerkschaften, die Einführung der Sozialversicherung und die Regulierung der Banken. Und man denke an John Maynard Keynes, der seine „General Theory of Employment, Interest and Money“ 1935 vollendete und 1936 publizierte. Es war vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise, dass er seine weitreichenden politischen Empfehlungen entwickelte, die im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts und erneut in der Gegenwart zur Grundlage der Wirtschaftspolitik in vielen Ländern wurden: ein struktureller Wandel und ein Stück Reform des Systems. Auch grundlegende Ideen wie Alfred Müller-Armacks „soziale Marktwirtschaft“ oder der stark koordinierte „Rheinische Kapitalismus“ der Bundesrepublik hatten ihren gedanklichen Ursprung in den Jahren der Weltwirtschaftskrise. Das waren produktive Reaktionen auf die Misere, die in diesem Sinne als Katalysator für die Reform des Kapitalismus dienten und strukturellen Wandel erzeugten oder doch beschleunigten.

Aus der gegenwärtigen Krise sei freilich noch kaum etwas gelernt worden. Es fehlten dafür die global wirksamen reformerischen Kräfte. Occupy Wallstreet z.B. sei zu schwach.

Auf die Eurokrise bezogen sagt er:
Die Krise deckt die großen ökonomischen, sozialen und kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern der Eurozone auf, die durch die gemeinsame Währung nicht gemildert, sondern nur überdeckt und sogar – durch Fehlsteuerung – verschärft worden sind. Diese Krise ist insofern ein Moment der Wahrheit, in dem dramatisch eingefordert wird, was im Grunde seit Einführung des Euros bekannt war: dass die Entscheidung für die gemeinsame Währung Entscheidungen zur Harmonisierung von Finanz- und Wirtschaftspolitik nach sich ziehen muss und ohne solche Nachfolgeentscheidungen nicht dauerhaft sein kann.

In seinem folgenden Satz stammt die Hervorhebung von mir:
Dass die Zähmung der Schuldenpolitik und die anstehenden weiteren Koordinationsschritte zwischen den Ländern der Eurozone gelingen, ist nicht ausgemacht – obwohl solche Reformpolitik ohne die gegenwärtige Krise gar keine Chance hätte.

11.12.11

Offene Bildungsinhalte in Europa

In Norwegen bietet die Regierung Schulbuchautoren ein höheres Honorar, wenn sie nicht nur für einen Verlag, sondern mit offener Lizenz schreiben.
Ein Gedanke, der auch in Deutschland zu verfolgen wäre.
Freilich, die Kulturhoheit der Länder macht es nicht einfacher. Aber es geht darum, von Vorbildern zu lernen.

Nachtrag vom 14.12.: Daniels Artikel

vgl. auch: Urheberrecht in Wissenschaft und Bildung (Vortrag von Felix Schaumburg)

10.12.11

Der goldene Stein - ein Stolperstein und seine Verlegung in Berlin

Verzeichnis von Stolpersteinen

"Neunundsechzig Jahre und einundsiebzig Tage, nachdem die Jüdin Else Hecht aus ihrer Wohnung in der Motzstraße abgeholt wurde, bekommt der Lehrling Andreas Wünsch den Auftrag, für sie einen Gedenkstein in den Berliner Bordstein zu schlagen" so beginnt die Reportage in der Frankfurter Rundschau vom 10./11.12.11, die ich zur Lektüre empfehlen möchte.
Am 4. Januar 1995 verlegte Gunter Demnig, der das Konzept der Stolpersteine entwickelte die ersten Steine in Köln.
Inzwischen sind in ganz Europa über 30 000 verlegt worden.
Mein erster Hinweis auf Stolpersteine erfolgte in diesem Blog im Juli 2009.

Der Bericht der FR schließt:
"Danach stimmt Ruth Rotsteins Enkelin ein hebräisches Lied an. Man versteht nicht, wovon es handelt, aber es klingt so, als rufe sie all die Klagen hinaus, die Else Hecht ihrer Familie nicht schreiben durfte. Es zerreißt einem das Herz.

Der Lehrling Andreas Wünsch ist jetzt in der Schaperstraße, es ist die vorletzte Station vor seinem Feierabend. Er verlegt drei Steine für Max und Käthe Herrmann sowie ihre zwölfjährige Tochter Ilse-Ruth."

7.12.11

6.12.11

Daniel Bernsen zu Schule im "digitalen Zeitalter"

"Wir brauchen Lernsettings, eine neue Aufgabenkultur und vor allem neue Prüfungsformate. Über die Zulassung alternativer Bewertungen wird sich das Lernen und Lehren in Schulen grundlegend verändern. So lange zentral immer noch Klassenarbeiten und Klausuren stehen, die eine Wiedergabe auswendig gelernten Wissens verlangen, wird sich auch Unterricht nicht grundlegend verändern. Das Zentralabitur wirkt sich hier hemmend aus. Ein großer Schritt wäe auch die Zulassung von Open Educational Resources als reguläre „Schulbücher“ durch die Behörden der Bundesländern. In anderen Ländern, wie z.B. Kalifornien, passiert das bereits ..."
So eine seiner Reaktionen auf das Speedlab2 in Köln.

Und ein interessantes Zitat aus einem seiner Kommentare:
Schule "ist unreformierbar, weil niemand über die schule-wie-sie-ist redet, sondern über symbolische eckpunkte des jeweiligen weltbilds, deren aufgabe als psychologische katastrophe erfahren würde."

Sicher lässt sich Schule doch reformieren, aber es gibt viele Diskussionen von angeblich an Schulreform Interessierten, die im von Daniel beschriebenen Sinn ablaufen.

4.12.11

Mediennutzung durch Jugendliche

Der Lehrerfreund macht auf die JIM Studie 2011 aufmerksam, die über die Mediennutzung von Jugendlichen informiert.
Wie immer kann man die Umfrageergebnisse auch etwas anders interpretieren, als es in der Studie geschieht, aussagekräftig aber sind sie dennoch.

2.12.11

Projekt für freie Bildungsmedien bei Wikimedia

Zunächst setze ich hierher nur das Link und erste Stichworte zur Orientierung:

Titel der Idee

Aktions-Label, Erscheinungsbild und Kampagne zum Aufbau einer Commnunity für freie Bildungsmedien in der Schule.

Drei Tags (Schlagworte), die die Schwerpunkte der Idee beschreiben

freie Bildungsmedien, offene Bildungsmedien, Creative Commons

27.11.11

Entwickelt sich im Netz eine utopische Kraft?

Er wirkt wie eine Netzdiskussion, der ZEIT-Artikel "Wir sind schon Science-Fiction". Es sind freilich nur ZEIT-Redakteure, die da miteinander chatten. Doch an den Artikel schließen sich im Augenblick schon 11 Seiten Leserkommentare an, auf denen die Diskussion weiter läuft.
Mir scheint die Form eine gelungene Verbindung von Printmedium und Netz.
Und es finden sich auch allerlei gehaltvolle Aussagen darunter.

Mir gefallen zusammenhängende Argumentationen besser; aber es ist eine geschickte Art, im Printmedium einen Chat zu simulieren.

26.11.11

Lernkultur

N. Stöcklin: Bildung im Blick auf den Leitmedienwechsel
CSpannagel: LernZeitRäume
Schule: LernZeitRäume

Im Augenblick habe ich nichts hinzuzufügen.

Nützliches vom Educamp Bielefeld

Pape: Unterscheidung von Content-Vermittlung und Lerner-Unterstützung
Meine persönliche Erfahrung ist, dass die wichtigste Unterstützung meines Lernens im Internet der Hinweis auf wichtigen Content ist.
Pape: Lehren heißt gut kochen
Pape bewertet m.E. zu gering, dass der Spitzenkoch sich von anderen nicht zuletzt durch bessere Ausgangsstoffe unterscheidet (also den richtigen - anregenden und wesentlichen - Content)

Freie Bildungsinhalte (OER)
Herr Larbig: Das Netzwerk entsteht (vgl. Blogparade in meinem vorigen Beitrag)
Jörg Lohrer: Netzwerke, Innovationen und freie Bildungsinhalte

weitere Links in http://educamp.mixxt.de/

Diskussion educamp Bielefeld, Bertelsmann, taz

Vorplanung für ein Educamp in Köln

21.11.11

Lehrfreiheit und offene Bildungsinhalte

Zu den folgenden Fragen können Sie bei einer Umfrage rechts unter der Blogliste abstimmen -->

1. Sind Sie der Meinung, dass ein Lehrer sein Unterrichtsmaterial an die Unterrichtsmaterial an die Situation in seiner Klasse anpassen dürfen soll?

2. Haben Sie gehört, dass es einen Vertrag zwischen Schulbuchverlagen und den Bundesländern gibt, wonach diese private Software einsetzen sollen, um auf Schulbuchcomputern nach eventuellen Copyrightsverletzungen durch Lehrer suchen zu dürfen?

3. Haben Sie schon von offenen Bildungsinhalten (OER) gehört?

4. Wären Sie bereit, eigenes Unterrichtsmaterial zur freien Verwendung im Internet zur Verfügung zu stellen?

5. Kennen Sie die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet (ZUM), die seit 1997 freie Unterrichtsmaterialien ins Netz stellt?

Diese Umfrage ist Teil einer Blogparade über offene Bildungsinhalte.

Zur aktuellen Diskussion über offene Bildungsinhalte vgl. Twitter #oer.

Zur Blogparade:

Der Start:
Klaus Dautel bei CSpannagel
Klaus Dautel bei ZUM-Team

Botschaft vom educamp Bielefeld 2011 (Mit Weiterbildung lässt sich weiterhin Geld verdienen)

Fortsetzung:
apanat: Blogparade zu offenen Bildungsinhalten
Herr Larbig : OER - Freie Bildungsmedien: Das Netzwerk entsteht!
Ralf Klötzke: Umfrage und Links zum Thema „Offene Bildungsinhalte“  in Landeskunde (27.11.11)

zu Rechtsfragen:
Gibro: CC-Lizenzen für offene Bildungsmaterialien
Damian Duchamps: Tragt CC in die Lehrerzimmer!
The power of open auf deutsch

freie Materialien:
segu - das kostenlose Geschichtsbuch im Internet
Was genau ist #0ER? (Damian Duchamps)

Beiträge, die ich übersehen habe, bitte in Kommentaren erwähnen und möglichst gleich verlinken.

19.11.11

Googles Angriff auf meine Privatsphäre

Seit Google+ existiert, terrorisiert mich Google: es ordnet meine Dateien neu, schreibt meine E-Mails um (meine Adressaten erhalten einen anderen Text, als ich eingegeben habe).
Mein Experiment mit Google+ ist damit abgeschlossen.
Bevor ich mich abmelde, werde ich freilich erst noch darauf hinweisen, was dabei geschieht. Um Facebook Konkurrenz zu machen, nutzt Google die Google-Programme, die der Benutzer verwendet, um den von Googleprogrammen verwalteten Daten zu schalten, wie es will.
Die Willkür unterscheidet sich kaum noch von Facebook.

Bei dem Versuch, Bilder mit Picasa zu verkleinern, fing dies plötzlich an, alle Gesichter von ihm erreichbaren Fotos einzuscannen. Es war, bis ich das bemerkt hatte, schon bei über 2000 angelangt. Jetzt muss ich wohl auch Picasa deinstallieren. Was nutzt mir, wenn ich die eingescannten Gesichter nicht mit Namen versehe. Das Schlimme ist ja, dass die Googlesoftware unerlaubt mit den ihr erreichbaren Daten arbeitet.
Ich habe es hingenommen, dass Google all meine E-Mails liest, weil ich zum einen nicht in E-Mails schreibe, was dringlich der Vertraulichkeit bedarf, und ich mir angesichts der zu verarbeitenden Datenmengen ausrechnete, Google würde nur statistisch Auswertungen vornehmen und keine anderen als Werbezwecke verfolgen.
Dessen bin ich mir in keiner Weise mehr sicher.
Google ist auf einem Weg, auf dem es gestoppt werden muss (oder sich selbst stoppen muss), wenn verhindert werden soll, dass es die Menschenwürde angreift.

16.11.11

Lesenswerte Aussagen zu offenen Bildungsinhalten

von Klaus Dautel hat CSpannagel in seinem Blog veröffentlicht.
Später mehr dazu!

In Kürze: das kurze 20. Jahrhundert

Michael Martens von der FAZ behauptet, die Historiker sprächen vom 20. Jahrhundert als von dem "kurzen", weil es so viele Katastrophen enthalten habe.
Als Historiker halte ich das deshalb für einen bemerkenswerten Unsinn, weil die historische Rede vom langem 19. Jh. und dem kurzen 20. inzwischen in den meisten anderen Feuilletons schon ganz geläufig ist.
Das 19. Jh. rechnet man wegen der Epocheneinschnitte Französische Revolution (1789 ff) und Erster Weltkrieg (1914 ff) zu den langen, das 20. wegen der Einschnitte Erster Weltkrieg (1914 ff) und Zusammenbruch des Ostblocks (1989 ff) zu den kurzen.
Gegenüber "so viele Katastrophen enthalten" ist die Rede von der zunehmenden Komplexität im 20. und 21. Jahrhundert doch recht rational, auch wenn sie relativ willkürlich ist und sich mit beinah genauso guten Argumenten bestreiten  wie untermauern lässt.

8.11.11

Wie immer lesenswert: Habermas

Diesmal am 4.11.11 in der FAZ: Rettet die Würde der Demokratie
Sein Buch über eine Verfassung für Europa soll bald bei Suhrkamp herauskommen.
Zitat 1:
"Beide driften auseinander – die Systemimperative des verwilderten Finanzkapitalismus, den die Politiker selbst erst von der Leine der Realökonomie entbunden haben, und die Klagen über das uneingelöste Versprechen sozialer Gerechtigkeit, die ihnen aus den zerberstenden Lebenswelten ihrer demokratischen Wählerschaft entgegenschallen."
Dies Auseinanderklaffen ("an endemic conflict between capitalist markets and democratic politics") ist nach Wolfgang Streek, auf dessen Analyse  sich Habermas beruft, der Normalzustand des "demokratischen Kapitalismus", der nach 1945 in Westeuropa und Nordamerika mit dem Bretton-Woods-System von festen Wechselkursen begründet wurde. Die 25 Jahre von 1945 bis 1970 seien die durch die Aufbausituation nach dem 2. Weltkrieg begründete Ausnahme gewesen. 


Zitat 2:
"Langfristig scheint die gegenwärtige Krise ohnehin keinen anderen Ausweg zu lassen als die überfällige Regulierung der Banken und der Finanzmärkte. Den reuevollen Absichtserklärungen der G-20 auf ihrem ersten Treffen im Jahre 2008 in London sind keine Taten gefolgt."
Dass diese Regulierung nicht stattgefunden hat, führt Habermas freilich nicht auf mangelnden guten Willen der einzelnen Regierenden zurück, sondern darauf, dass die Institutionen für eine übernationale Willensbildung fehlten. Um die notwendigen Institutionen zu schaffen, bedürfe es einer neuen "Anbahnung eines verfassungsgebenden Prozesses". Die würde freilich "ein Engagement verlangen, das von den Routinen des Machtopportunismus abweicht und Risiken eingeht". 


Meine Kommentare dazu habe ich weitgehend schon seit längerem formuliert:


1. Wir brauchen eine Europäische Öffentlichkeit, denn sie ist die Voraussetzung dafür, dass europäische Gesamtinteressen gegen nationalstaatliche abgewogen werden können.
2. Wir brauchen keinen Rettungsschirm für die Demokratie, denn unsere Demokratie hat eine höhere Legitimation als die, dass sie dem Finanzkapital optimale Entfaltungsmöglichkeiten bietet. (Zur Sicherung dieser Entfaltungsmöglichkeiten dienen nämlich die Rettungsschirme, die freilich die Staaten voneinander isolieren und damit die in ihrer Gesamtheit wirtschaftlich gesunde Eurozone angreifbar machen.)


Habermas hat meiner Meinung nach zwar weitgehend Recht, nur übergeht er zum einen das Problem, dass Institutionen ohne kontrollierende Öffentlichkeit in korrupte Diktaturen abgleiten. (Europäische Öffentlichkeit!)
Zum andern unterstellt er, dass es allein europäischer Institutionen bedürfe. Für weltweite Regelungen bedarf es, wenn man seiner Argumentation folgt, Institutionen für eine weltweite Willensbildung.


Ich sehe dafür drei Kristallisationspunkte:
1. Internationale Nichtregierungsorganisationen wie z.B. Greenpeace uns attac
2. Organisationen, die übernationale weltweite Willenskundgebungen über Internet organisieren, wie z.B. avaaz
3. weltweite Demonstrationen vor Ort mit übernationalen Zielsetzungen wie z.B. Occupy Wall Street.
(dazu vgl. Politische Beteiligung)


Freilich, der Weg zu erfolgreicher an übernationalen Zielen ausgerichteter Willensbildung ist weiterhin noch weit.

7.11.11

Was geht in Thüringen vor?

Als Lehrer habe ich verschiedene Methoden kennen gelernt, wie man Lehrern, die den Vorgesetzten unangenehm aufgefallen sind, das Leben schwer machen kann. Eine ist eine komplette Berichtspflicht. Wenn jemand über jeden Schritt, den er tut, berichten muss, geht sein Unterricht notgedrungen mehr oder minder schnell den Bach hinab.
Völlig neu ist mir, dass ein Kultusministerium versucht, alle seine Lehrer fertigzumachen.
Ob absichtlich oder nicht. Genau das geschieht gegenwärtig in Thüringen, wenn man dem Bericht des Thüringer Lehrerverbandes (tlv) glauben darf.

6.11.11

Kulturelle Wertewelten und die Auswirkungen des Internets auf die Politik

Peter Kruses Vortrag auf der republica2010 spricht für sich selbst. Ich möchte aber noch etwas hinzufügen.

Der Titel der Youtubevideos und vermutlich auch des Vortrags ist "Wie die Netzwerke Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren". Spannend wird es meiner Meinung nach ab Minute 7. Der vorhergehende Teil ist Einstimmung.
Die Hauptaussagen sind:
1. Bei Personen, die das Internet sehr intensiv nutzen, lassen sich altersunabhängig zwei Gruppen unterscheiden:
diejenigen, die die Beweglichkeit, Spontaneität und Kommunikationsgeschwindigkeit des Netzes sehr schätzen, und die, denen Verlässlichkeit und Stabilität wichtiger sind. (Man könnte die Diskussion zwischen Piraten und Administratoren der Wikipedia über Relevanzkriterien als Beispiel dafür nehmen, dass computeraffine männliche Personen derselben Altersgruppe aufgrund ihrer unterschiedlichen Werte nur sehr schlecht verständigen können, obwohl ihre Interessensgebiete sehr ähnlich sind.)
2. Das Internet führt zu Aufschauklungsprozessen, die man nicht verhindern kann, ohne das Netz abzuschalten. Diese Prozesse begünstigen eine Re-Politisierung.
Den Hinweis auf diesen Vortrag verdanke ich Sabine Hubers Blogbeitrag zu Kollaboratiosskripten.

Überflüssig, daran zu erinnern?

Horst Afheldt hat in "Wirtschaft, die arm macht" schon 2004 darauf hingewiesen, dass Volkswirtschaften mittelfristig nicht exponentiell, sondern nur linear wachsen und dass das auch in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders galt und darauf, dass Rohstoffe immer knapper werden, Arbeit aber immer reichlicher angeboten wird.
Weil die wirtschaftliche Situation Deutschlands und Europas mittelfristig so prekär ist, kommt m.E. alles darauf an, die Umstellung auf hohe Preise für fossile Energie und Rohstoffe und andererseits kostengünstige Arbeit so schnell wie möglich gelingt. Das kann sozialverträglich nur geschehen, wenn die höheren Energiepreise benutzt werden, um Arbeit zu subventionieren. Wenn wir das rasch genug tun, sind wir der Entwicklung voraus. Wenn wir es nicht tun, hecheln wir hinterher.

Was tun wir mit unseren Retungsschirmen?

5.11.11

Kein Rettungsschirm für die Demokratie

Frank Schirrmacher beeindruckt immer wieder dadurch, dass er Erkenntnisse, die selbst Helmut Schmidt schon vor vielen Jahren hatte, mit großer Geste vorträgt und gut vorträgt:
"Dass man ganze Länder als faul und betrügerisch beschimpfen konnte, schien mit der Ära des Nationalismus untergegangen und vorbei. Jetzt ist dieses Gebaren wieder da, mit angeblichen „Vernunftgründen“ auf seiner Seite. Die Deformation des Parlamentarismus durch erzwungene Marktkonformität legitimiert das Volk nicht nur als „außerordentlichen Gesetzgeber“, es erzwingt im Fall Griechenlands diese Willensbekundung geradezu. Denn schon in Deutschland kann, wer als frei gewählter Abgeordneter seinem Gewissen folgt, sicher sein, das man seine „Fresse“ nicht mehr sehen will. Was Wolfgang Bosbach als Subjekt widerfuhr, trifft nun einen Staat, und wenn es so weitergeht, bald ganz Europa."
Das Grundgesetz schützt die Menschenwürde, die Demokratie und die Gewaltenteilung (und noch einiges mehr, wenn auch immer weniger), nicht aber den Kapitalismus.
Das Grundgesetz ist kein Rettungsschirm, den man von Banken erbetteln und an Banken verhökern kann. Es ist die Basis der Gesellschaft, die Deutschland seit über 60 Jahren für seine Bürger und für viele Millionen andere attraktiv gemacht hat.

Dazu jetzt:
Habermas: Rettet die Würde der Demokratie

2.11.11

HKM Kurzmeldung

Die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen) und das Hessische Kultusministerium (HKM) schließen eine Rahmenvereinbarung, teilt das HKM in einer Presseinformation mit. Mehr nicht.
Wer wird schon die Sätze "Die Vereinbarung ist ein wichtiger Schritt und trägt zur Stärkung beider Partner bei. Gemeinsam gilt es nun, Synergien zu schaffen und neue medien­pädagogische Angebote zur Medienbildung im schulischen Bereich zu etablieren.“" als Information betrachten.
Kein Wort zum Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 Urh (Pdf), auch unter den Stichworten Schnüffelsoftware und Schultrojaner gehandelt.
Unter Medienkompetenz versteht das HKM offenbar Nichtinformation.
Ob die LPR Hessen das auch so sieht, kann man bei Annette Schriefers Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien erfragen.

31.10.11

Schnüffelsoftware für Schulcomputer mit Ansage

Ab kommendem Frühjahr sollen Schulcomputer auf unberechtigt aufgespielte Programme untersucht werden können, berichtet Netzpolitik.org.
Ob das dazu führt, dass die Verlage größere Einnahmen bekommen, oder ob neue Verbreitungswege gesucht werden?
Zur Diskussion vgl. u.a. hier, dort dort, dort und dort.

Von all den lesenswerten Kommentaren möchte ich vor allem Herrn Larbig hervorheben. Er formuliert:
"Ich vertraue darauf, dass Sie als Schulbuchverlage gerne auf das Image verzichten, in einer Reihe mit den aktuellen Diskussionen um Staatstrojaner genannt zu werden. Der Begriff „Schultrojaner“ macht zumindest schon die Runde.

Ich vertraue darauf, dass Sie als Schulbuchverlage nicht einmal in die Nähe der Spekulation gerückt werden wollen, von Ihnen beauftragte Softwareentwicklungen könnten unsicher sein und zum Datenschutzproblem werden.

Ich vertraue darauf, dass Sie den Aufschrei im Netz an diesem 31. Oktober 2011 gehört haben und uns zu erkennen geben, dass Sie Lehrern und Schulen grundsätzlich vertrauen und ausschließlich in begründeten Verdachtsfällen rechtsstaatliche Mittel einsetzen werden, um bestehendes Urheberrecht durchzusetzen."
Ich hoffe, sein Vertrauen wird nicht enttäuscht.

Nachtrag 6.11.11:
Laut Netzpolitik hält die Bundesjustizministerin die Schnüffelsoftware aus Datenschutzgründen für untragbar. Die Sache müsse zurückgedreht werden.

Zur wachsenden Bedeutung der Internetpolitik

Robert Basic schreibt:
"Was wir heute sehen, dass Netzpolitik der Bürger immer wichtiger wird und die Politlandschaft durchdringt, wird morgen auf einer Augenhöhe mit militärischen, energiepoitischen, gesundheitlichen und sozialen Themen behandelt."

Man merkt das an der Aufmerksamkeit, die die Piratenpartei erhält, man merkt das an der Zunahme von Bespitzelung im Netz, privat und staatlich. An der Zunahme der Manipulationsmöglichkeiten des Einzelenen. (Nachrichtenfilterung durch Suchmaschinen"optimierung")

Wird das Netz wirklich früh genug die öffentliche Aufmerksamkeit finden, die es braucht, wenn es gegen Zusammenbruch geschützt und wir vor Ausspähung und Manipulation gesichert sein sollen?

22.10.11

Social Learning Blogparade 5 - ein anderes Beispiel für Social Learning

Am 16.10.2011 berichtet Maik Riecken von einer Erfahrung aus dem Unterricht mit Kants Text "Was ist Aufklärung?"
Am 21.10. greift Fontanefan (ich) diese Anregung auf, geht aber nur kurz auf das didaktische Problem der Textkürzung ein und verwendet dann Kants Unterscheidung von privatem (dienstlichem) und andererseits öffentlichem Gebrauch der Vernunft als Argument im Zusammenhang mit der Klarnamendiskussion in google+.

Ohne den Hinweis von Maik Riecken hätte ich bei den Streit an Kants grundlegenden Text nicht gedacht.

Nun, dieser Beitrag zur Blogparade solea11 war etwas kürzer als der vorige und soll von mir aus mein letzter in dieser Reihe sein.

Hier der Ort, wo die anderen Beiträge zur Blogparade gefunden werden können.

Während wir hier als ein paar wenige Blogger uns klar zu werden versuchen, was für uns Social Learning bedeutet, hat Google ein ganzes Institut zur Erforschung des Zusammenhangs von Gesellschaft und Internet gegründet. Dass das nicht ohne eigene Ziele geschehen ist, darf man annehmen. Aber wir arbeiten ja auch aufgrund unserer eigenen Ziele.

Social Learning Blogparade 4 - Subjektive Antworten auf Nathanaels Fragen

Dieser Beitrag zur Blogparade bezieht sich nicht auf die anfangs gestellten Fragen, sondern auf die Fragen vom Blog Nathanael Daillard, die erst im Laufe dieser Blogparade aufgekommen sind:
Frage: "Meint Social Learning etwa, dass ich mir einen Artikel auf einem Blog lese und daraus etwas lerne?" 
Meine Antwort: Nein
"Oder ich einen Schluss aus einem bestimmten Tweet bei Twitter ziehe?" 
Nein
"Oder meint Social Learning nicht einmal das Internet sondern einfach das Lernen in Gruppen?"
Nein
"Oder ist es die Interaktion und Kommunikation mit anderen Menschen, unabhängig ob online oder offline, woraus ich dann meine Schlüsse ziehe und somit etwas lerne?"


Es ist nur die online-Kommunikation, aber von dieser eben nicht nur das Schlüsse ziehen, sondern vor allem das Mitdenken und Weiterdenken des Gehörten/Gelesenen  mit der Rückkopplung auf den, der die erste Aussage gemacht hat, und all die, die auf sie reagiert und sie weitergedacht haben.  Das heißt, dass Social Learning die Ausweitung der offline-Denkpartnerschaften ins Netz und daher ihre potentielle Vervielfachung darstellt.
Während wir bei der Buchlektüre den Gedanken des Autors sehr intensiv nachgehen können, als Normalleser aber keine Rückmeldung des Autors erhalten, ob wir ihn richtig verstanden haben, können wir beim Social Learning die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Gedankenaustausch (Formulierung in Anlehnung an Kleist) beobachten, nicht selten sogar auch als nur stille Beobachter einer Blog-, Twitter-, Facebook- oder Google+-Diskussion. 


Ein Beispiel, was für eine zeit- und gesprächskontextversetzte Kommunikation das Internet möglich macht, liefert ein Twittergespräch über Wissenschaft, das zunächst ein Zwiegespräch über die Äußerung eines Dritten ist, der daran nicht beteiligt ist, dann aber sich interessanter Weise ausweitet (zum vollständigen Wortlaut hier): 
Das Gespräch vom 11.8.2009 ging von einer Äußerung aus, die Jean-Pol Martin, in der Community Bildungswissenschaftler 2.0 auf der Plattform mixxt.de getan hatte (vgl. erster Link im Gespräch).


Filterraum#wissenschaftler "...teilweise erscheint ihnen die Realität lästig und störend" http://bit.ly/a0cUJ
Fischblog@Filterraum Kann man da antworten? Bei den Papers, die ich so lese, steht jedenfalls vorne immer dabei, was neu und relevant ist #abstract
Filterraum@Fischblog ich kann da nicht intern antworten da kein wissenschaftler, du ja weil wissenschaftler. einfach anmelden =)
An dieser Stelle hat der am Gespräch bisher unbeteiligte berndweiss mitgelesen und schaltet sich ein:
berndweiss@Fischblog Hat mich auch schon gestört, aber @jeanpol schränkt es ja etwas ein: "Natürlich wird es meist getan, aber der...".
Filterraum und Fischblog lassen sich aber in ihrem Zwiegespräch nicht stören, auch als berndweiss sich ein zweites Mal einschaltet und dabei zoonpolitikon ins Gespräch zieht:
Fischblog@Filterraum Von der Wissenschaft die ich kenne ist das nicht einmal ein Zerrbild.[2] [...]
Fischblog@Filterraum Inwiefern? Methodisch driften Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften doch immer stärker auseinander.
berndweiss@Fischblog Nö, zumindest für Teile der Sozialwissenschaften gilt, dass sie sich immer stärker auf die Naturwissenschaften zubewegen.
zoonpolitikon@berndweiss @fischblog Woraus schliesst ihr das? Ich sehe keine eindeutigen Trends (zumindest in den Sozialwissenschaften).
zoonpolitikon@berndweiss Ev. in den Politikwissenschaften historisch etwas anders (Bauchgefühl). Höhepunkt des Quantitativen war in den 50er und in US.
zoonpolitikon@berndweiss Rational Choice schon lange dominant. Statistik und RAT meines Erachtens seit Jahrzehnten stabil. I guess that is where I sit.
zoonpolitikon@berndweiss Vielleicht einmal einen Blogeintrag wert, wie das in den Internationalen Beziehungen aussieht. Danke für die Idee.
Filterraum@Fischblog in dem sinne "dass die Menschen verstandesmäßig nicht mehr folgen können" http://bit.ly/c7VVD #singularität
Aus dem sich dabei ergebenden Gespräch von berndweiss und zoonpolitikon erhält letzterer eine Anregung, für die er sich beim ersten bedankt.
Rekapitulation: Jean-Pol Martins Äußerung hat Fischblog verärgert, der sich darüber mit Filterraum unterhält, was berndweiss dazu veranlasst ein Gespräch zu suchen, das nicht angenommen, aber von zoonpolitikon wahrgenommen wird und diesen anregt. Der Anstoß für die Anregung zoonpolitikons ging also von Jean-Pol aus, der von alledem nichts gewusst hat. Das nenne ich Social Learning.
Am Schluss des Gesprächs schaltet sich jeanpol ein, macht erst dadurch Fischblog auf berndweiss aufmerksam, und es kommt zu einem Dreiergespräch, das vermutlich auch von Filterraum mit verfolgt wird. Aber das weiß man nicht.

Ein am Gespräch unbeteiligter Beobachter (Fontane44) dokumentierte es und schrieb dazu auf der Diskussionsseite des Wikiartikels:

Benutzer:Jeanpol hatte etwas über Wissenschaft geschrieben und einige Twitterkommentare dazu aufgegriffen. (Über Wissenschaftler). Benutzer:Cspannagel fragte dort nach, ob Jeanpol nicht weitere Gesprächsbeiträge nachtragen könne. Dieser tat das. Mir fiel auf, dass das Gespräch noch etwas weitere Kreise gezogen hatte, und dokumentierte hier das von mir beobachtete Gespräch. Darauf teilte mir der Twitterer berndweiss mit, dass ich die Beiträge von zoonpolitikon übersehen hatte, weil ich ihm nicht folge. Auf diesen Hinweis hin habe ich diese Beiträge nachgetragen.
Aus der Art der Gesprächsführung lässt sich darauf schließen, dass (so wie ich) nicht alle Gesprächsteilnehmer das Gesamtgespräch mitverfolgt haben. Das lässt Rückschlüsse auf Twitterkommunikation allgemein zu.[1][2].

Aus den Anmerkungen lässt sich schließen, dass Fontane44 dazu veranlasst wurde, eine Dissertation von Duncan Watts zu rezipieren. Alles Folge der ersten Ausgangsäußerung von Jean-Pol Martin, die ihn ohne Fischblogs Verärgerung vielleicht zu gar nichts angeregt hätte. Nochmals, das ist in meinen Augen Social Learning. (Und ohne die Bloparade hätte ich dies bestimmt nicht geschrieben!)

Hier der Ort, wo die anderen Beiträge zur Blogparade gefunden werden können.

Dürfen Beamte im Internet ihre Vernunft im Sinne der Aufklärung gebrauchen?

Maik Riecken ist bei der Beschäftigung mit Kants Schrift „Was ist Aufklärung?“ darauf gestoßen, dass dieser Text in heutigen Schulbüchern meist um bemerkenswerte Passagen gekürzt und darum seiner zeitgenössischen Bedeutung weitgehend beraubt zu einem Text einer sehr abstrahierten Aufklärung umgedeutet wird.

In seinem Blogbeitrag DidaktischeReduktion berichtet er von seinen Überlegungen und fügt hinzu:
Meine SuS sollten sich in einer Hausaufgabe ein Urteil darüber bilden, ob die durch das Deutschbuch vorgenommene Kürzung dem Text inhaltlich gerecht wird: Sie sind selbstständig zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Schön. Also waren sie durch Länge des didaktisch unreduzierten Textes inhaltlich nicht überfordert.“

Darauf nun meine Reaktion:
Durch die Aufgabe des Textvergleichs ist viel Struktur vorgegeben, die Aufmerksamkeit wird auf Kants - uns heute nach der Diskussion des Befehlsnotstandes - eher auffällige Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Gebrauch der Vernunft gelenkt und daher im Sinne des Lehrers bewältigt.
Wäre aber im Sinne der Schulung der Kritikfähigkeit nicht eine ganz andere Aufgabenstellung nötig?

Dazu meine Begründung:
Die Unterscheidung öffentlicher und privater (dienstlicher) Gebrauch der Vernunft gilt ganz gewiss beim Militär - mit Ausnahme der Gewissensentscheidung – auch heute, aber auch für Beamte und öffentliche Angestellte ist er fast durchweg Selbstverständlichkeit: Es gibt genau angegebene Kriterien dafür, wann ein Schüler zu versetzen ist, bei wie viel Prozent Leistung wie viele Punkte zu vergeben sind, ab wie viel Fehlstunden eine Lehrveranstaltung als nicht zureichend besucht und deshalb ungültig zu bewerten ist usw.
Sie sind mitnichten in allen Bundesländern gleich, teils wird mehr Ermessensspielraum zugestanden, teils weniger.
Für mich war es ein Augenöffner, im Kontext der Europäischen Schule zu sehen, wie strikt sich deutsche Lehrer an solche Regeln hielten, auch wenn es ihnen fast das Herz brach, während Lehrer anderer Nationen weit eher bereit waren, pragmatische, im Konsens der Lehrerkonferenz getroffene Entscheidungen zu tragen. (Dabei mag eine Rolle spielen, dass dort dem Schulleiter nicht selten eine freiere Stellung gegenüber der Schulverwaltung eingeräumt wird als bei uns.)

Meine Anregung für die Diskussion der Kantschen Frage wäre:
Sollte man nicht im Sinne dieser Kantschen Unterscheidung, allen, die noch von Lehrern und Vorgesetzten abhängig sind, bei Diskussionen im Netz Anonymität zugestehen, damit sie öffentlich wirklich freien Gebrauch ihrer Vernunft machen können?

Es ist die Frage, die im Zusammenhang mit Googles Forderung nach Klarnamenpflicht für Google+ (freilich in etwas anderer Zuspitzung) diskutiert worden ist.  

Social Learning Blogparade 3

Wie wird sich Social Learning in den nächsten Jahren entwickeln?

Unabhängig von dem, was Befürworter und Kritiker von Web 2.0 sagen. So lange das Internet besteht, wird es immer die Möglichkeit des gegenseitigen Austauschs behalten und damit die der zeitversetzten Zusammenarbeit, die mit der Schrift in die Welt gekommen ist.
Wie sich die technischen Möglichkeiten entwickeln werden, ist nicht vorauszusehen.
So viel scheint mir sicher: soziale Netzwerke werden bestimmend dafür bleiben, wie sich das Netz organisiert. Ob diese irgendwann im Sinne des Großen Bruders perfekte Überwachungsmaschinen werden, weiß ich nicht. Vermutlich wird es damit laufen wie heute mit Diktatur und Demokratie. Beides wird nebeneinander her bestehen und mehr oder minder freiheitlich sein und die Menschenrechte mehr oder minder respektieren.
Darüber, wie sich Soziales Lernen technisch und lernorganisatorisch entwickeln werden, auch nur mittelfristige Aussagen zu machen, ist es meiner Meinung nach zu früh. Geben wird es neben den sozialen Netzwerken Blogs für die, die Umfänglicheres zu sagen haben, und Wikis für die Zusammenarbeit an größeren Aufgaben (wobei Blogs und Wikis ihrerseits auch Netzwerke begründen, aber nicht so deutlich drauf konzentriert sind).

Deshalb möchte ich von beiden zwei Beispiele nennen, die mir vorbildlich für ihre Aufgabe geeignet scheinen: Zunächst die Romantische Schule , die ich schon einmal genannt habe, die ich diesmal aber von ihren Anfängen her zeigen will, weil ihr Aufbau so weit besser durchschaut werden kann. Ein Blog ist hervorragend für Einzelprojekte geeignet und ermöglicht am besten den thematisch konzentrierten und archivierten Austausch.
Als Zweites das ZUM-Wiki mit der ZUM-Family. Es beherbergt - ähnlich wie die Wikipediagruppe - ganz unterschiedliche Wikis für die verschiedensten Aufgaben: einmal das Lehrerwiki ZUM-Wiki, das theoretisch so weltweit verbreitet sein könnte wie die Wikipedia, dann Schulwikis, ich verweise als Beispiel auf das RMG-Wiki, von denen es theoretisch Tausende geben könnte. Früher oder später wird jede Lernorganisation mindestens ein Wiki haben, um das sich verschiedene weitere Wikis gruppieren.
Schließlich gibt es jetzt schon eine ganze Reihe weiterer Wikis mit Spezialaufgaben. Sofern sie um einen Lernmittelpunkt organisiert sind, erleichtern sie den gegenseitigen Austausch, die zentrale Funktion von Social Learning.

Hier nenne ich mal als Beispiele das DSD-Wiki für Deutsch als Fremdsprache, das Geometrie-Wiki für Studenten, die Geometrie betreiben, das Vielfalt-lernen-Wiki zu Möglichkeiten individueller Förderung.
Drei weitere spezialisierte Wikis findet man gegenwärtig auf der Hauptseite des ZUM-Wikis rechts unten.


Bleibt nur noch zu sagen, dass ich gespannt bin, an welchen Punkten ich zuerst widerlegt werde und wie rasch.
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20.10.11

Lehrersummit beim educamp Bremen 3. Teil

Herr Larbig hat nicht zu viel versprochen: Im dritten Teil des Gesprächs vom Bremer Educamp haben sich die Teilnehmer offenkundig warm gelaufen und es kommt zu einer Vielzahl von Konzepten, wie sich die neue Lernsituation für Schule durch die Einbeziehung von Internetkommunikation verändern könne.
Da wird einmal davon gesprochen, dass der Lehrer nicht immer voran zu laufen brauche (Bild des Klassenausflugs). Dann wird das Bild der Expedition gebraucht, der Expeditionsleiter nutzt die Stärken der einzelnen Mitglieder, um sich im unwegsamen unbekannten Gelände zu orientieren, vertraut darauf, dass sie die Gesamtgruppe voranbringen, wo er es nicht könnte, behält aber die Verantwortung für die Gesamtexpedition.
Dann wird das - vorher eher unglücklich verwendete - Bild vom Boot gebraucht, um zu betonen, dass die gegenwärtige Lehrergeneration, an Land sozialisiert, noch bewusst ins Boot gestiegen seien, während die Schüler sich auf dem Boot finden, ohne die Erfahrungen der Orientierung auf dem Lande mitzubringen (Vor- und Nachteil). Schließlich kommt das Bild der sich ausweitenden Grenzen des Lernraums auf, der sich durch seine Ausweitung ständig verändere.
Ich persönlich würde das Beispiel der Newtonschen Physik, die ausgeweitet wird zur Einsteinschen, vorziehen, weil damit die Metapher Raum kein zu physikalisches Gewicht bekommt. (Nicht zuletzt, weil die Messungen einer Geschwindigkeit über der Lichtgeschwindigkeit jetzt schon wieder die mögliche Vorläufigkeit des Einsteinschen Konzepts andeuten.)

Aber natürlich sind nicht die Bilder das, was diese Diskussion spannend macht, sondern dass nicht allgemein von den neuen Möglichkeiten von Web 2.0, sondern konkret davon gesprochen wird, wie sich Unterrichtswirklichkeit verändert und den Lehrer mit nicht erwarteten Ergebnissen seines Lehrerhandelns konfrontiert.

Social Learning Blogparade 2

Wie sieht meine ideale persönliche Lernumgebung aus? (bezogen auf Tools, Community, Art der Zusammenarbeit)
Zunächst ist schnell gesagt: Blog, Wikipedia, ZUM-Wiki, Twitter. Dass ich die Geschwister der Wikipedia und die Family dem ZUM-Wiki zurechne, sollte noch erwähnt werden. 
Damit sind auch die Communitys angesprochen, aber natürlich nicht die idealen. 
Gern würde ich darauf verzichten, in der Wikipedia abgekanzelt zu werden, in ZUM-Wiki auch beim 5. Verständigungsversuch abgeschmettert zu werden (kommt zum Glück extrem selten vor, genau genommen nur einmal). In der Wikipedia ist's man eher gewohnt und hält sich aus gefährlichen Gebieten wie Islamismus und Nationalsozialismus vorsichtshalber heraus, wenn man nicht ausgesprochen darauf spezialisiert ist oder eine beglückend dicke Haut hat.
Keine ergiebige Frage finde ich. Pflichtpensum.


Wie weit ist ein Mentalitätswandel hin zu kooperativem Lernen im Netz schon verwirklicht? 
(Im persönlichen Bereich, im Unternehmen, im Hochschulbereich)
Da man von mir keine empirischen Befunde erwarten kann, lasse ich hier meiner Subjektivität die Zügel schießen: Erstaunlich weit im Bereich der Wikipedia, ganz erstaunlich weit bei einzelnen Netzindividuen, die mir begegnen. Hier habe ich vielfach Dank zu sagen, und habe auch gelegentlich ein wenig abstatten können. 
Für die anderen Bereiche mögen andere sprechen. 


Wie sollte sich Social Learning in den nächsten Jahren entwickeln?


Ich wäre dankbar, wenn die Experimentierbereitschaft weiter so hoch bliebe wie bisher, sie dürfte gern auch zunehmen.
Aber die blauäugige Rede davon, dass Normaljugendliche nur aus dem Klassenzimmer hinausgeschickt und mit möglichst vielen Netzgeräten ausgestattet werden brauchten, um dann selbständig ihren Bildungsgang zu gestalten, wie sie etwa Professor Dueck verbreitet, hilft dem Social Learning nicht weiter. Natürlich wäre es schön, wenn mehr "professionelle Intelligenz" im Umlauf wäre. Seine Methode, im Lehrervortrag dafür zu werben, führt aber gewiss nicht dazu, dass sie plötzlich stark zunimmt.
Auch die Behauptung, es gäbe keine Probleme im Netz, lässt sie nicht verschwinden. So, wenn eine erfahrene Netzpädagogin argumentiert: "Mein Sohn hat im Internet bei einem Kriegsspiel Demokratie gelernt. Weil der Führer seiner Gruppe so autoritär war, hat er sich von ihm gelöst und seine Gruppe mit ganz demokratischen Regeln aufgebaut. Er war erst 14 und hat das nicht so wahrgenommen. ("Ich hab doch nur gespielt.") Aber er hat Demokratie gelernt."
Das ist gut für ihn. Aber was haben die gelernt, die bei dem autoritären Führer geblieben sind? Ballern und Gehorchen. - Dem gegenüber sind die viel gescholtenen Sekundärtugenden 'Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit' geradezu zentrale, hoch erstrebenswerte Lernziele. 


Es sollte mehr betreute Hinführung zur Arbeit mit dem Netz geben, das Geld dürfte nicht in immer neuere Versionen von  The Call of Duty und seinen Nachfolgern gesteckt werden, sondern in Unterrichtsprojekte, die eine Verbindung von offline- und online-Unterricht erproben und verbessern.

Meine eigene Netzbiographie ist ein deutliches Beispiel dafür, wie sehr ich Anleitung gebrauchen konnte und noch brauche und erhalte. 
Mittelmaß wie ich braucht Anleitung, so wie sie die Schüler auf diesem Blog erfahren haben und sie zum Glück von mehr und mehr Pädagogen, die Arbeit vor Ort mit Arbeit im virtuellen Klassenraum verbinden, geleistet wird. 


Kritik am Hype des Web2.0-Lernens ist nicht schon deshalb falsch, weil sie trocken akademisch daher kommt. 
Natürlich darf man sich seinen pädagogischen Optimismus durch Nörgler nicht nehmen lassen. Aber wer in der Öffentlichkeit ein Bild vom problemlosen Social Learning malt, tut seiner Sache nichts Gutes.



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19.10.11

Social Learning Blogparade 1

Ich greife die Anregung von Cornelie Picht und Julian Grandke auf, an einer Social Learning Blogparade teilzunehmen, und beginne mit den ersten beiden Fragen:

Was verstehe ich unter Social Learning? 
(Die 3 wichtigsten Kennzeichen)

Meine erste Reaktion, wenn ich diese Frage lese, ist, in der Wikipedia oder bei einem der Blogs, die über Social Learning schreiben, also bei "Experten" nachzusehen. Dabei weiß ich, dass in der Wikipedia meist keine Experten schreiben und die, die Experten sind, immer, was andere schreiben, wiedergeben sollen, nicht, was sie selbst wissen. Und auch, dass für diese Blogparade die Devise ausgegeben worden ist, es gäbe keine Experten für Social Learning.
Also schnell mein erstes Kennzeichen: Zusammenarbeit
Bei meinen ersten Schritten mit der Wikipedia hatte ich meinen Inhalt vollständig eingegeben, nur wusste ich nicht, wie ich ihn speichern sollte. Ich habe meinen Sohn angerufen, der hat mir gesagt, worauf ich klicken sollte und woran ich die Speicherung erkennen würde.
Dann wurde ich gefragt, ich arbeitete in der mittelalterlichen Geschichte, ob ich nicht auch ...
Als ich mit Wikipediamethoden (ein anderes Kapitel) dazu gebracht worden war, eine Nacht lang einen Artikel völlig umzubauen, fand sich bald jemand, der das begleitete. Alle weiteren größeren Änderungen haben wir nur in gegenseitigem Einvernehmen unternommen.
Nun ist, sich helfen lassen, und mit anderen zusammen zu arbeiten zwar Lernen im sozialen Kontext, aber nicht das, was der englische Fachausdruck mir an Assoziationen weckt.
Daher mein zweites Kennzeichen: Lernen im Internet
Zusammenarbeit bestimmt den größten Teil unseres Lebens, aber nur im Internet ist es möglich, ohne größeren Aufwand Arbeitspartner zu finden.
Als ich ein deutsches Wort vom Anfang des 19. Jahrhunderts, das damals noch keine Suchmaschine kannte, ins Wiktionary einfügte und nicht recht damit zurechtkam, flugs hals mir ein Zwölfjähriger auf die Sprünge.
Die Entzifferung eines Manuskripts aus dem frühen 19. Jahrhundert hatte ich lange betrieben, erst Bekannte von der Wikipedia machten es möglich, dass eine Edition bei Wikisource daraus wurde. Dabei haben sie mir so viel beigebracht, dass ich glaube, die Hauptarbeit daran selbst getan zu haben. In der Tat, was gelernt.
Als drittes Kennzeichen wähle ich: Lernen in lockerer Gemeinschaft 
Wenn ich von meiner Frau, meinen Kindern, meinem Freund, von meinen Arbeitskollegen etwas lerne, so tue ich das in einer dauerhaften Verbindung. Im Internet findet man sich zu einer Zusammenarbeit oder an einer Lernaufgabe und verlässt sich, wenn diese abgeschlossen ist. Es bleiben freilich mehr oder minder lockere Verbindungen (manche können sich sogar zu dauerhaften auswachsen), die man reaktivieren kann, wenn es um eine neue Aufgabe geht.

Welche Tools und Methoden haben mich begeistert? 
(Beim Lernen, in der Lehre, im Training)


Keine.


Begeistert hat mich von Anfang an, die Möglichkeit, anderen etwas anzubieten, was sie nutzen können oder auch nicht. Dass ich niemanden zu motivieren brauche, Material, das ich ins Internet einstelle, zu verwenden.
Wenn ich also doch ein Instrument nennen soll, so wäre es das Internet. Ich glaube aber nicht, dass man im Kontext des Social Learnings das Internet als Tool versteht.
Dann natürlich die Wikipedia. Auch kein Tool, sondern ein großartiges Gemeinschaftsunternehmen, an dem mich fasziniert hat, dass man mit sehr schwachen Kraften etwas sehr Großartiges, was über die Leistungsfähigkeit eines Genies hinausgeht, noch verbessern kann.
Dann habe ich einen Blog angefangen. Hat er mich begeistert? Natürlich erlaubte er mir sehr viel einfacher als meine Homepage, Inhalte ins Netz zu stellen. Aber das war für mich lange kein großer Unterschied.
Erst als ich durch cspannagel in den Hype um Lernen durch Lehren von Jean-Pol Martin gezogen wurde (den und LdL schätzte ich schon länger), merkte ich, dass sie nicht nur Rückmeldungen und das Knüpfen von Kontakten erlaubten, sondern dass man dabei ausführlichen Diskussionen folgen und in diese neue Aspekte einbringen konnte.  Also Blogsoftware und die Kommentarfunktion sind mir wichtig, ja.
Gegenüber Twitter war ich misstrauisch, habe meinen Account dort auch einige Zeit ruhen lassen, doch inzwischen habe ich mehrere Accounts aufgemacht, die ich zwar fast durchweg sehr vernachlässige, aber auf Twitter verzichten würde ich ungern.
Facebook lehne ich ab. Die Beseitigung von Privatheit (dazu jetzt auch Computerbild), die Facebook aggressiv betreibt, widerspricht m.E. eindeutig dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.  Und die ist mir wichtiger als die vielen schönen Instrumente, mit denen das Internet soziales Lernen erleichtert. Wenn Social Learning nur in einer Gesellschaft möglich wäre, in der die Regeln von Facebook gelten, würde ich darauf verzichten.
Ich weiß etwas über die Möglichkeiten, auch bei Facebook eine gewisse Datenautonomie zu erhalten, ohne mich darin wirklich auszukennen. Wer Experte ist, wird vermutlich auch bei Facebook noch seine informationelle Selbstbestimmung erhalten können, zumal wenn er aus bewusster Entscheidung seine Privatsphäre energisch beschränkt oder auch ganz aufgibt.
Weil Facebook aber so leicht zugänglich ist, dass es auch dem in Datenschutz ganz Unbefangenen den Zugang erlaubt, hat es für mich dieselbe moralische Integrität wie die Stasi. Die war (als Organisation, nicht alle Mitglieder) auch davon überzeugt, dass ihr System richtig sei.

Weitere Tools? Natürlich braucht man viele, manche weniger als andere. Doch das führte mir zu weit.

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16.10.11

Das Wort ist wie Wasser, es wird immer einen Weg finden,

"... um zum Meer zu gelangen, wo immer es auch entspringt, und wenn es tausend Jahre dauert, am Ende fließt es ins Meer."
Dieser Satz und die Lebendigkeit, mit der er seine Sätze vorträgt, haben mich so beeindruckt, dass ich auf den diesjährigen Friedenspreisträger, den algerischen Schriftsteller Boualem Sansal unbedingt hinweisen möchte, auch wenn er sich auch ohne das bei uns bekannt macht. (Hier der Download des Interviews, das mich so beeindruckt hat.)
Für die rasche schriftliche Information der obere Link zur Wikipedia und hier ein weiterer Link.

Social Learning - Web 2.0

Eine Blogparade soll laufen, auf diesem Gebiet gebe es keine Experten, alle seien Lernende.
Soll ich meine Skepsis gegenüber dem In-den-Himmel-heben von Web 2.0 hier äußern?
Dafür müsste ich freilich die bisherigen Beiträge sorgfältig studieren und die Fragen für meine Zwecke nutzen.
Hier die Fragen:
Die Teilnehmer der Blogparade sind aufgefordert ihren persönlichen Zugang zu Social Learning, ihre eigenen Erfahrungen und den persönlichen Stellenwert von Social Learning schildern. Dazu sollen die nachfolgenden fünf Fragen als Gerüst dienen:
  • Was verstehe ich unter Social Learning? (Die 3 wichtigsten Kennzeichen)
  • Welche Tools und Methoden haben mich begeistert? (Beim Lernen, in der Lehre, im Training)
  • Wie sieht meine ideale persönliche Lernumgebung aus? (bezogen auf Tools, Community, Art der Zusammenarbeit)
  • Wie weit ist ein Mentalitätswandel hin zu kooperativem Lernen im Netz schon verwirklicht? (Im persönlichen Bereich, im Unternehmen, im Hochschulbereich)
  • Wie könnte/sollte sich Social Learning in den nächsten Jahren entwickeln?

Vielleicht regt die Tatsache, dass ich dazu noch eine Zeit lang nichts schreiben werde, jemand anders an?



Voraussetzungen für Social Learning:

Jarche: Those hard soft skills
Lindner: 10 Regeln für Lerncommunities

9.10.11

Abschied von den Menschenrechten?

DEM STAAT IST ERLAUBT, COMPUTER ZU ÜBERWACHEN UND AUSZUSPÄHEN.

Das ist - in engen Grenzen - vom Bundesverfassungsgericht abgesichertes staatliches Recht.
Die Würde des Menschen ist durch staatlich produzierte Programme zu beseitigen. Das ist nach Analyse des Chaos Computer Clubs das Ergebnis einer Untersuchung der bundesdeutschen Überwachungssoftware.

Denn jeder - das besagt das Untersuchungsergebnis -, der das dafür notwendige Know-how  hat, kann auf den Computer eines gesetzestreuen Bürgers Beweismaterial laden, das ihn schwerster Straftaten überführt.
Damit besteht für einen verantwortungsvollen Richter nur noch die Alternative, jedes per Computerüberwachung festgestellte Beweismaterial unabhängig von der Glaubwürdigkeit des Angeklagten zu akzeptieren oder gar keines mehr. Die Ergebnisse solcher Überwachung werden somit entweder vollständig gerichtsuntauglich oder sie können jedes Opfer eines solchen Computerangriffs zum öffentlichen Verbrecher machen, ohne jede Chance auf Rehabilitation.
Was Strauss-Khan passiert ist, droht künftig also jedem von uns. Die Unsicherheit der Öffentlichkeit, ob es sich um Verbrecher oder Opfer handelt, ist für den Rest seines Lebens nicht mehr auszuräumen.

Wird es dem Staat nach dieser Analyse noch möglich sein, das Vertrauen in ihn wieder herzustellen?

Die Hintergründe und Zusammenhänge werden bald ausführlich behandelt werden, daher zunächst nur zwei Links.: 1 und 2

Nachtrag vom 10.10.:

Der Staatstrojaner wurde vom LKA Bayern verwendet. Von wem sonst ist noch unklar.
Zur Analyse des Trojaners (pdf)

Linkhinweise von Antonie:


Trojanererläuterungen von faz.net

100x eingesetzt


Staatstrojaner in 3 Minuten-Video erklärt...
aus Caschys-Blog

und Hintergrundartikel aus Spiegel-Online

Artikel und Video aus WDR

sowie einen Artikel von Schieb

29.9.11

Ist das Internet für uns überlebenswichtig?

Robert Basic hat in seinem Post "Das Dogma des Internets: Überleben" ein eindrucksvolles Bild davon gezeichnet, was für eine Rolle das Internet für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik spielt.

Seine Darstellung klingt ganz nach "Wollt ihr denn in der Steinzeit leben?", wie es uns lange als die Alternative zur Atomkraftnutzung angeboten worden ist.
Wenn er Recht hat - und meine Kenntnisse reichen in keiner Weise aus, ihn zu widerlegen - dann wäre es in der Tat an der Zeit Alternativen einzubauen, wie die Archivare, die mit Papier und Mikrofilmen als Medien arbeiten, weil die elektronischen Speichermedien gegenwärtig eine zu hohe Systemwechselrate haben, um lokalen und regionalen Archiven eine sichere Speicherung auch nur über 30, 40 Jahre zu ermöglichen.

Subsistenzwirtschaft (Selbstversorgung) gibt es zwar noch in erheblichem Umfang, aber in einem Großteil der Industrieländer gibt es sie nur noch für einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung. Damit ist aber auch die Ernährungssouveränität verbunden, die neuerdings als eine Art Grundrecht propagiert wird.
Facebook arbeitet schon lange daran, unsere Privatheit abzuschaffen, bislang nur für einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung so ganz erfolgreich.
Wie viele unserer Grundrechte wollen wir dem Internet opfern? Soll es das Ende der Menschenrechte bedeuten?
Wenn es nicht mehr funktionierte, wäre offenbar für Hunderte von Millionen das Recht auf Überleben beseitigt, für die stellt sich die Frage nach den Menschenrechten nicht mehr. Aber was ist mit denen, die wir opfern, wenn es funktioniert?

Zusatz vom 1.10.:
Susan Garfield meint, Kinder, die sich ständig im Netz aufhalten, erhielten zwar starke Reize in Bild und Ton, erlebten aber nicht, dass ihre Handlungen im realen Leben Folgen haben. Das sei eine gefährliche Verzeichnung der Realität. Sie könnten so langfristig in einem kindlichen Weltverständnis stecken bleiben.
Wie sehr sich dies vom erwachsenen Verständnis unterscheidet, erlebte ich einmal besonders eindrucksvoll an meiner Tochter. Sie berichtete mir: "Ich habe aus versehen auf meine Puppe getreten. Ich habe gleich 'Entschuldigung' gesagt. Aber sie ist immer noch kaputt."
Da hat meine Tochter in der Tat eine intensive Erfahrung von Handlungsfolgen gehabt. (Zum Glück gab es auch positive.) Ist es wirklich nicht problematisch, wenn Handlungsfolgen immer virtuell zu bleiben scheinen, weil ein Resetknopf sie beseitigt?
Mehr dazu in der Sendung  homo interneticus des ZDF.

28.9.11

Wir werden bleiben wollen, wenn wir gehen dürfen

Stadtteilarbeit für die evangelische Kirche in Rostock, wie Joachim Gauck sie schildert, erinnert mich an die Stadtteilarbeit Obamas in Chikago. Wie sollte sie es auch nicht. Dennoch macht es einen Unterschied, ob man Berichte aus der Arbeit der evangelischen Kirche in der DDR aufnimmt in einer Zeit, wo die Unterdrückung noch völlig präsent war, oder heute, wo die Rolle, die die Kirche für die friedliche Umwälzung gespielt hat, ihr Bild bestimmt.
Wie weit war der Weg dorthin!

Als ich nach Evershagen zog, konnten sich die wenigen Christen nicht einmal im eigenen Stadtteil treffen. Es gab kein Gotteshaus noch irgendwelche Gemeinderäume, auch keinen Kirchgemeinderat und keine Mitarbeiter. In einer solchen Terra incognita die Arbeit aufzunehmen, erforderte Entschlossenheit, Offenheit und Durchhaltekraft. [...]
Wie andere junge Pastoren in Mecklenburg orientierte ich mich an Heinrich Rathke, der später unser Landesbischof werden sollte. Heinrich Rathke hatte bereits Anfang der sechziger Jahre als Pfarrer in einem Mecklenburger Neubaugebiet Erfahrungen gesammelt — in der Südstadt, der ersten Rostocker Großwohn­siedlung im Plattenbaustil mit über 20000 Bewohnern. An alles war damals gedacht worden — Krankenhaus, Kino, Post, Theater und so fort -, nur nicht an eine Kirche. Als erstes galt es also, die evangelischen Christen ausfindig zu machen. Rathke ging von Haus zu Haus, von Stockwerk zu Stockwerk, klingelte wahllos, meist abends. Zu Gottesdiensten konnte er aber nur in eine der weit entfernten Stadtkirchen einladen. Als alle Anträge bei der Stadt Rostock zum Bau einer eigenen Kirche fehlschlugen, stellte Rathke kurz entschlossen einen Zirkuswagen auf ein Privatge­lände am Rande des Neubauviertels. Ein schlichtes Holzkreuz an der Wand und ein schlichter Tisch als Altar verwandelten ihn in emen Andachtsraum. Am 12. Mai 1963 fand dort der erste Got­tesdienst mit 53 Gläubigen statt.

So berichtet Joachim Gauck in seinen Erinnerungen "Winter im Sommer - Frühling im Herbst" auf Seite 125.
vgl. dazu eine Leseprobe der Seiten 1-18

23.9.11

Über den Segen von G9

Sie hat nachgewiesen, dass man bei solider Grundbildung in den ersten acht Schuljahren gut auf eine Menge des Oberstufenunterrichts und der Arbeit dafür verzichten kann und trotzdem ein gutes Abitur machen kann bei einer Nebentätigkeit von 800 Stunden im Jahr.
Viviane Cismak, die während der Abiturvorbereitungen ihr zweites Buch schrieb: Schulfrust.
Natürlich hat sie das nur für ihre Person nachgewiesen, nicht für andere, die mit Handicaps in die Schule kommen und denen auf dem Weg nicht geholfen wird, sie zu überwinden.
Hier ein Interview
Ihr Bruder hat keine Bücher geschrieben, aber er war Leistungsschwimmer, bis auf G8 umgestellt wurde.
Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir, hat schon Seneca über G8 gesagt. Genau genommen nur über die von der Kultusministerkonferenz aus Angst vor Kritik an Niveauverlust beschlossene "Reform", mit zu viel Unterricht und zu wenig Zeit für Erfahrungen und Lernen. Aber kennen wir denn schon eine andere?
Schüler aus der 9. Klasse sagten mir: Der Vorzug von G8 ist, dass wir schon in der Unterstufe auf den Nachmittagsunterricht der Oberstufe vorbereitet werden. Dann ist das nicht mehr so ein Schock.

Viviane Cismaks erstes Buch "Deutschlands Kinder" mit Erzählungen über Kinderarmut, scheint es nur noch antiquarisch zu geben. (Kurzvideo)