23.6.10

Landraub in Wildwestmanier

Was wir aus dem Kolonialismus kennen, die Aneignung des Besitzes anderer Völker, die in Nordamerika zur Vertreibung und beinahe völligen Vernichtung der indianischen Urbevölkerung geführt hat, wiederholt sich gegenwärtig unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts hundertfach.
Land wird ohne Berücksichtigung der Menschen, die auf dem Land leben und es für ihren Lebensunterhalt brauchen, aufgekauft über Kaufverträge, von denen die Besitzer des Landes erst hören, wenn sie längst abgeschlossen sind und es schon an die Vertreibung der Besitzer geht. (land grabbing)
In den letzten viereinhalb Jahren sind über zwanzig Millionen Hektar Ackerland in Afrika, Asien und Lateinamerika an ausländische Investoren verkauft oder auf mehrere Jahrzehnte hin verpachtet worden (für die Zeit von 2006 bis 2009 liegen die Schätzungen zwischen 22 und 50 Millionen Hektar). Aussagekräftig werden für uns die Zahlen, wenn wir bedenken, dass die Ackerfläche der gesamten erweiterten Europäischen Union gegenwärtig 97 Millionen Hektar beträgt. Wenn sich die Investoren auf die EU konzentriert hätten, wäre also in vier Jahren die gesamte Ackerfläche Deutschlands, Frankreichs und der Beneluxländer in ausländischen Besitz übergegangen.

Wer kauft Land?
Das sind zum einen Länder, mit industrieller Entwicklung, deren landwirtschaftliche Produktion nicht ausreicht, ihre Bevölkerung zu versorgen und die sich so autark machen wollen. Dazu gehören insbesondere einiger reiche Golfstaaten, Südkorea und China. So wird gegenwärtig aus Äthiopien, dessen Bevölkerung stark vom Hunger bedroht ist, in großem Umfang Reis von Farmen in saudiarabischen Besitz nach Saudiarabien geliefert.
Private Investoren aus den Industriestaaten konzentrieren sich vor allem auf den Anbau von Energiepflanzen, um Agrarkraftstoffe als Ersatz für das knapper werdende Erdöl zu produzieren. Dabei tut sich besonders die schwedische Firma Sekab hervor, die in Mosambik auf über 100 000 Hektar Energiepflanzen anbauen will.
Agrarland wird aber auch von Spekulanten (besonders Banken und Investmentfonds) gekauft, die im Zuge der Finanzkrise auf Objekte umsteigen wollen, die langfristig knapper werden. Je mehr Spekulanten einsteigen, desto schneller steigen die Preise und desto eher lohnt sich ihre Investition.

Sind Investitionen in die Landwirtschaft etwa nicht sinnvoll?
Wenn es darum ginge, mehr Nahrungsmittel für die Bevölkerung der Länder in Hungerregionen zu produzieren, wären sie ein Segen. Statt dessen wird das Kapital verwendet, um Land der Nahrungsmittelproduktion zu entfremden.
Dabei lässt sich der Vorwurf nicht allein einigen Investoren der letzten Jahre machen. Insgesamt ist der Anteil der Entwicklungshilfe von OECD-Ländern, der in landwirtschaftliche Hilfe gesteckt wird in den letzten 25 Jahren von 17 auf 4 Prozent zurückgegangen.

Was wird gegen diese Entwicklung getan?
Die G8-Staaten und die Weltbank planen gegenwärtig zusammen mit der Agrarindustrie Prinzipien zur Regulierung solcher Investitionen. Dabei soll freilich das Freiwilligkeitsprinzip gelten. Daraus kann man schließen, dass es primär um eine PR-Maßnahme der Agrarindustrie geht.
Die Organisation Inkota, von der ich meine Informationen habe, macht durch Aktionen auf den Landraub aufmerksam und unterstützt in Mozambik ORAM, einen Verband von Bauernorganisationen, in Landrechtsfragen, um sie vor Landraub/land grabbing zu schützen.

Links:
Ausführliche Information zu "land grabbing" (englisch)
Aufruf zu Protest gegen Ausverkauf von Ackerland von Kleinbauern

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