17.4.09

Überforderung schon in der Lehrerausbildung

Am Beginn der Lehrerausbildung gibt es zwar noch nicht das Burnout-Syndrom, zu dem ich am 9.4. etwas geschrieben habe, aber auch da kommt es nicht selten zur Überforderung, und die ist von den Kultusministerien aus Rentabilitätsgründen so eingeplant und im Einzelfall nur schwer zu vermeiden.

"Für viele Lehrer in der Ausbildung kommt die Phase des eigenverantwortlichen Unterrichts zu früh", sagte mir ein erfahrener Ausbilder, "aber die Schulen sehen es gar nicht gern, wenn wir darauf hinweisen, dass ein Lehrer im Vorbereitungsdienst besser noch nicht allein unterrichten sollte, denn die Stunden sind ja im Schuldeputat eingerechnet, und sie bekommen keinen Ersatz dafür."

Beim vom Fachlehrer begleiteten Unterricht wartet eine andere Falle. Selbst erfahrene Lehrer fühlen sich bei G8 so unter Druck gesetzt, dass sie kaum bereit sind, dem Neuling Raum für seine Unterrichtsversuche zu geben. Auch der gerät unter Druck, weil der Fachlehrer seine Stunden nur hergeben will, wenn der Stoff im selben Tempo durchgezogen wird wie sonst von ihm. (Zur Situation der Referendare vgl. auch Spiegel-online)

Besonders krass fand ich folgenden Vorgang. Denn es scheint, dass es unter den jetzigen Umständen für den Referendar sehr problematisch sein kann, wenn sich seine Ausbilder zu sehr darauf konzentrieren, dass er etwas lernt.

Neuerdings gehört zur Ausbildung nämlich auch ein Modul Schulentwicklung.
Ich sprach darüber mit einem befreundeten Schulleiter. Der meinte:
"Natürlich haben selbst die meisten fertigen Lehrer kaum einen Blick für Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schulentwicklung; aber wenn man gut plant, kann man den Referendaren Aufgaben anbieten, die sie bewältigen können."

Nun kam ich mit einem eigenen Vorschlag:
Die Maschendraht-Community bemüht sich gegenwärtig, Studenten, Dozenten, Lehrer, Schüler und Eltern miteinander zu vernetzen und neue Unterrichtskonzepte wie Lernen durch Lehren vorzustellen und Lehrer bei deren Einführung zu unterstützen. Außerdem werden dort Möglichkeiten von Web 2.0 (Blogs und Wikis) erprobt. Könnte man nicht einen jungen Lehrer anregen, diese Entwicklungen mitzuverfolgen und dann der Schule darüber zu berichten?

Die Antwort war: "Das wäre sicher sinnvoll für seine Ausbildung und auch dem Kollegium täte es sicher gut, mehr zu diesen Fragen zu hören. Aber es ist zu riskant für den Referendar. Denn bei diesem neuen Gebiet ist nicht sicher, dass er zu eindeutigen Ergebnissen kommt. Es könnte sein, dass er überfordert ist, Nutzen und Nachteil der Methoden gegeneinander abzuwägen. Das aber wird der Ausbilder von ihm verlangen. Wenn es ihm nicht gelingt, könnte das seiner Note schaden. Deshalb biete ich den Referendaren eng umgrenzte Aufgaben an, von denen ich schon vorher weiß, was dabei herauskommen kann. Das verlangt meine Fürsorgepflicht."

Ich weiß, dass dieser Schulleiter für alles Neue offen ist, aber das Wohl der ihm anvertrauten Schüler und Lehrer wird er nie aufs Spiel setzen.

Wie soll unter solchen Bedingungen eine vernünftige Lehrerausbildung und eine sinnvolle Schulentwicklung möglich sein?
Zum Glück gibt es immer wieder Engagierte, die allen Hindernissen zum Trotz die Entwicklung vorantreiben.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da freut man sich ins Referendariat zu gehen. So werden wiederum hochmotivierte Studenten gleich wieder in die "Mühle" eingenordet. Ich gebe Dir Recht, wenn Du sagst: "So kann sich nie etwas ändern."

Allerdings glaube ich auch dass es eine Schutzbehauptung ist "seinen Zögling" vor den Fehlern zu bewahren. Stelle Dir die Situation vor, wenn plötzlich viele neue Ideen ins Spiel gebracht werden. Die Schulleitung muss plötzlich Rede und Antwort stehen, wieso sie die Dinge gerade so macht und nicht anders. Dann lieber deckeln und alles so machen wie gehabt. Hat ja schließlich auch 30 Jahre funktioniert...

Freundlich Grüßt

Thorsten S.

Walter Böhme hat gesagt…

Der betreffende Schulleiter arbeitet mit dem ZUM-Wiki und hat mir - obwohl ich schon Computereinführungsunterricht gegeben hatte - erst beigebracht, mich im Internet zurechzufinden. An dem liegt's nicht.
Aber wenn selbst der die Referendare vor zuviel Engagement in Web 2.0 schützt, weil sie sonst angesichts der Ausbildungsstruktur unter die Räder kommen können. Dann kann man sich denken, dass Medienpädagogik für manche Kultusbürokraten nichts heißt, als Geld für Computer und Software zur Verfügung stellen und Schluss damit. (Ich könnte Seiten über die katastrophale Betreuung von Schulnetzen schreiben, wo Lehrer selbst mit besten Kenntnissen immer wieder blockiert werden.)

rip hat gesagt…

Wenn der Schulleiter so innovativ und offen ist, frage ich mich, ob es denn keine Möglichkeit gibt, mit den Seminarlehrern und -vorständen, die die Benotung des Referendars schließlich vornehmen, Kontakt aufzunehmen. Es müsste doch möglich sein, dass ein *Schulleiter* plausibel darlegen kann, wie wertvoll ein moderner Unterricht für seine Schule ist. Ich glaube kaum, dass sich die Ausbilder dagegen verschließen könnten - jedenfalls nicht völlig. Wenigstens eine quasi bewertungsfreie Spielwiese müssten Sie dem Referendar für Web 2.0 dann einräumen.